Sie traten meist in Gruppen auf, die vietnamesischen Vertragsarbeiter. Stets freundlich, immer ein wenig verlegen wirkend, um Unauffälligkeit bemüht und dennoch auffällig in der an Exotik so armen DDR waren die „vietnamesischen Werktätigen“ äußerst willkommen.
Versprach sich doch die Parteiführung der DDR für ihr marodes Wirtschaftssystem den gleichen Effekt, wie ihn die Bundesrepublik Deutschland Anfang der 50er-Jahre mit dem legendären Wirtschaftswunder erlebte, an dem italienische und türkische Gastarbeiter einen erheblichen Anteil gehabt hatten.
Seit Ende der 1970er-Jahre war die DDR dringend auf Arbeitskräfte angewiesen. Sie bot jungen Menschen aus Mosambik, Angola, Kuba, Polen und Vietnam an, sich in der DDR als Facharbeiter zu qualifizieren, um anschließend für mehrere Jahre als preiswerte Arbeitskraft der maroden Planwirtschaft zur Verfügung zu stehen.
In großer Zahl folgten auch junge Vietnamesen diesem Ruf. Wer im kriegszerstörten Vietnam die Zusage für Ausbildung und Arbeitsplatz in der DDR erhielt, fühlte sich ausgezeichnet und privilegiert.
Bis 1989 bildeten die Vietnamesen die größte Gruppe der in die DDR geholten Vertragsarbeiter. Sie arbeiteten vor allem in der Leichtindustrie. Zuletzt betrug ihre Zahl knapp 60.000. Das war bei weitem mehr, als die Regierung der DDR ursprünglich geplant hatte. Als fleißige und zuverlässige Arbeitskräfte waren die vietnamesischen Vertragsarbeiter unverzichtbar geworden.
Mit der steigenden Zahl an Arbeitskräften aus Vietnam wuchsen auch die Probleme. Die durften unter keinen Umständen öffentlich gemacht werden. In einem Regierungsabkommen zwischen der DDR und Vietnam war zwar die Unterbringung in Wohnheimen, die Größe der Zimmer, Anzahl der Betten und Ausstattung präzise geregelt worden, doch die verantwortlichen Betriebe waren mit der Bereitstellung von Wohnraum völlig überfordert.
Der einzige Daseinsgrund der vietnamesischen Vertragsarbeiter für die Dauer ihres meist fünfjährigen Aufenthaltes in der DDR war: arbeiten und Geld verdienen, um die Familie zu Hause zu versorgen. Den vietnamesischen Vertragsarbeitern war gestattet, am Ende ihres Aufenthaltes zwei Mopeds und fünf Fahrräder zollfrei auszuführen, heiß begehrte „Luxus-Artikel“ in ihrem Heimatland.
Mit einiger Ratlosigkeit konstatierte die Staatssicherheit der DDR im September 1989, dass „vor allem die vietnamesischen Werktätigen ein immer selbstbewussteres Auftreten zur Durchsetzung ihrer Interessen“ zeigten. Nur wenig später fiel die Mauer. Das Regierungsabkommen war hinfällig, die DDR-Wirtschaft brach zusammen und Tausende Vietnamesen standen vor der Entlassung. Ein Land war im Umbruch und vormalige „Freunde“ wurden zu Fremden und Konkurrenten. „Völkerfreundschaft“ und „Solidarität“ erwiesen sich als hohle Phrasen, ein latent vorhandener Ausländerhass brach hervor.